Mini-Test: Bist du (heimlich) allmächtig?

Mach mal den kleinen Check. Antworte ganz spontan mit ja oder nein:

  1. Versuchst du oft, schlechte Stimmung zu vermeiden, indem du deine eigenen Gefühle runterschluckst?
  2. Denkst du, dass andere sofort überfordert wären, wenn du ehrlich sagst, wie es dir geht?
  3. Glaubst du manchmal, du könntest jemanden „kaputtmachen“, wenn du deine Wahrheit aussprichst?
  4. Glaubst du, du müsstest für Harmonie in deinem Umfeld sorgen?
  5. Fällt es dir schwer zu akzeptieren, dass erwachsene Menschen selbst für ihre Gefühle und Grenzen verantwortlich sind?

Zähl mal kurz: Wie viele ja’s hattest du?

Ein faktischer Gedanke

Wenn du dich in den Fragen wiedererkannt hast, klingt das vielleicht so, als wärst du allmächtig. Aber die Wahrheit: Das ist ein uraltes Muster.

Kinder denken oft magisch. Sie glauben, dass ihre Gefühle oder Handlungen alles beeinflussen: „Weil ich wütend war, ist Mama jetzt traurig“ oder „Weil ich schlecht gedacht habe, ist Papa krank geworden.“ Dieses Denken ist in der Kindheit normal – aber wenn man zu früh Verantwortung übernehmen musste, kann es bleiben.

Als Erwachsene übernehmen wir dieses Muster dann manchmal unbewusst. Wir glauben, wir wären verantwortlich für das, was im Inneren anderer Menschen passiert. Dabei stimmt das nicht. Jeder trägt selbst die Verantwortung für seine Gefühle und Entscheidungen.

Sich für alles verantwortlich zu fühlen, ist also keine „Superkraft“. Es ist ein Überbleibsel aus Kindheit und oft auch eine Traumareaktion. Und der wichtigste Schritt ist, das überhaupt zu erkennen. Denn nur so kannst du aussteigen aus der Illusion der Allmacht.

Meine Geschichte dazu

Ich kenne das zu gut. Ich habe jahrelang geschwiegen, wenn es mir schlecht ging. Ich habe gedacht: Wenn ich meine Gefühle zeige, kippt die Stimmung. Dann verletze ich die andere Person. Dann bin ich schuld.

Aber was ich da eigentlich gemacht habe? Ich habe mich selbst zur Allmächtigen erklärt. Als ob meine Worte allein bestimmen könnten, ob jemand glücklich oder traurig ist. Und das stimmt einfach nicht.

Dazu kommt noch: Ich habe damit nicht nur mir geschadet. Ich habe auch anderen die Chance genommen, mich wirklich kennenzulernen. Meine Freund*innen, meine Partnerin – sie hätten die Entscheidung verdient, ob sie damit umgehen können oder nicht. Aber ich habe ihnen diese Freiheit genommen, indem ich einfach nichts gesagt habe.

Und genau da liegt der Knackpunkt: Schweigen schützt niemanden. Es baut Mauern. Es verhindert Verbindung.

Heute sehe ich das klarer: Erwachsene sind keine Kinder mehr. Sie dürfen selbst entscheiden, ob ihnen etwas zu viel ist, und sie können auch sagen: „Stopp, das ist meine Grenze.“

Es ist nicht meine Aufgabe, für alles verantwortlich zu sein. Und weißt du was? Das fühlt sich unglaublich befreiend an.


Gedanken zum Mitnehmen

Du bist nicht verantwortlich für das Gefühlsleben anderer – auch wenn dein Inneres dir etwas anderes erzählt. Indem du ehrlich bist, ermöglichst du Nähe. Du gibst anderen die Chance, dich wirklich zu sehen und selbst zu entscheiden, wie sie damit umgehen.

Musik für den Moment

Hier ein bisschen Musik, um wieder zurück ins hier und jetzt zu finden.

Abschluss

Kleiner, aber mächtiger Tipp: In den Momenten, in denen du spürst, du müsstest die Stimmung retten – sag dir: „Ich bin nicht allmächtig.“ Lass den Satz gelten. Und wenn du mutig bist: Erzähle jemandem eine ehrliche Kleinigkeit, die du sonst verschweigen würdest. Keine große Offenbarung, einfach ehrlich.

So übst du, anderen zu vertrauen – und dir selbst auch.

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